Von der Planung einer zweiten Bahn auf den Aletschgletscher.

Noch während der Bauzeit der Jungfraubahn im Schweizer Berner Oberland wollten auch die Walliser den aufkommenden Tourismus nutzen und vom Süden her eine Bahn auf den Aletschgletscher bauen.
Die Bahn in die Matterhorn-Region - heute bekannt als Gornergratbahn - auf der Südseite des Wallis, war realisiert und nun planten unterschiedliche Gruppierungen die Realisierung ihrer Pläne, um die Nordseite des Wallis – also den Bereich des Aletschgletschers (Aletscharena) – bahntechnisch zu erschliessen.
Im Walliser World Nature Forum erinnert ein Belle Epoque Salon-Wagen der Jungfraubahn an das visionäre und wohl einmalige, aber nicht realisierte Projektvorhaben aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts.
Erschliessung der Berge mit Bahnen
Jungfraubahn

Die Belle Epoque war eine bewegte Zeit, in der viele bemerkenswerte Projekte angedacht, ausgedacht, realisiert oder auch, nach Ausbruch des ersten Weltkriegs, wieder verworfen wurden.
1894 stellte Adolph Guyer-Zeller beim Bundesrat den Konzessionsantrag, eine Bergbahn im Berner Oberland, hoch zum Berg Jungfrau zu bauen. Bis zur „Kleinen Scheidegg“ sollte sie oberirdisch, anschliessend durch einen Tunnel im Berg geführt werden. Der Bau wurde 1896 begonnen und seit 1912 fährt die Bahn Touristen, heute sogar aus aller Welt, bis auf das Jungfraujoch hoch. Zudem ist die Bahn – nicht zuletzt auch aufgrund der ausgeklügelten und wirkungsvollen Vermarktung – äusserst wirtschaftlich.
Gornergratbahn

Auch im Wallis dachte man sich neue Attraktionen aus: 1892 wurde die Konzession für die Gornergratbahn mit dem tollen Blick auf das Matterhorn erteilt. Die Bauarbeiten begannen 1896 und die offizielle Eröffnung der GGB Gornergrat-Bahn erfolgte nach vergleichsweise kurzer Bauzeit am 20. August 1898.
Auf den Aletschgletscher
Die Walliser kamen noch in der Bauphase der Jungfraubahn auf die Idee, den Aletschgletscher und das Jungfraujoch vom Süden aus zu erschliessen. Die Gornergratbahn war schon realisiert; es gab also erste Erfahrungen im Bau derartiger Strecken in der Schweiz. Die geplante Strecke sollte in Brig starten, einem Ort, der seit 1878 über einen Bahnanschluss verfügt, und über Naters nach Zenbächen (oder auch Ze Bächu, nähe Märjelensee – also quer über den Gletscher!) führen. Mit einer Schlittenbahn (!) sollten die Reisenden in 3 Etappen die abenteuerliche Reise fortsetzen. In der Fotostrecke findet sich eine Karte der einmaligen Idee der Reise über den Aletschgletscher.
Die Reise über den Aletsch wurde aber nicht bewilligt und der Erste Weltkrieg bedeutete das Aus für die wohl einmalige Vision.
Dennoch wäre die Reise in einer Bergbahn von Brig über Naters und Blatten hoch zum Hotel Belalp mit Blick auf den Aletsch aus heutiger Sicht ein nicht nur ideeller Gewinn. Mittlerweile wurden mehrere Seilbahnen für den Ausblick auf den Aletschgletscher gebaut, die auch reichlich genutzt werden. Die Technik der Seilbahn führt schneller und technisch einfacher zum gewünschten Aussichtspunkt. Und so führt heute ein Wanderweg von der per Seilbahn erschlossenen Belalp zur ebenfalls per Seilbahn erreichbaren Riederalp. Wanderer können das dazwischen liegende Tal des Aletschgletschers mittels einer Hängebrücke überqueren. Das gibt der Wanderung den gewünschten modernen «Kick» und eine tolle Aussicht.
Heute erinnert der Salonwagen der Jungfraubahn im World Nature Forum in Brig (Wallis, Schweiz) an das gewagte, aber nie realisierte Projekt.
Bilder (7): Klaus Theißing
Die drei Bilder aus dem World Nature Forum entstanden mit freundlicher Genehmigung des Hauses.
Über den Autor
Klaus Theissing arbeitet als freiberuflicher IT-Berater im Bereich Web und Unternehmens-Kommunikation für Unternehmen in besonderen Kommunikationssituationen. Darüber hinaus schreibt er als Autor, fotografiert Europa und betreibt seit sechs Jahren als Hobby seinen Bahnblog MyBahn unter theissing.wordpress.com.
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